In der süddeutschen Stadt Augsburg wächst die Zahl der Menschen, die keinen sicheren Schlafplatz haben. Unter Brücken, an Bahnhöfen oder in verlassenen Ecken versuchen sie, die Nacht zu überstehen – oft ohne Schutz, ohne Ruhe. Einer dieser Orte liegt neben dem Bahnhof Augsburg-Oberhausen. Anzeichen von temporären Schlafplätzen zeigen sich beim Abstieg der Bahnhofstreppe. Unter den Gittern der Treppe liegen Matten, Decken und Schlafsäcke, zurückgelassen oder bei Räumungen durch die Stadt entfernt. Gemeinsam mit der Johanniter-Unfallhilfe, den Johanniter Hilfsgemeinschaften und der Drogenhilfe Schwaben verteilten wir dort Shelterbags an Menschen, die in dieser Nacht kein Dach über dem Kopf hatten. Fünf Stück – klein in der Zahl, aber von großer Bedeutung.

Medizinische Hilfe und ein offenes Ohr

Das Johanniter-Hilfsmobil steht jeden Donnerstag in Augsburg-Oberhausen und bietet kostenlose medizinische Versorgung auf der Straße an. Marc Kannengiesser leitet ein Team von engagierten Freiwilligen und Ärzt:innen, das Hilfe und Unterstützung leistet, wo sie gebraucht wird. Direkt neben der Haltestelle des Hilfsmobils liegt das Begnungszentrum beTreff der Drogenhilfe Schwaben gGmbH, wo Menschen eine Tasse Kaffee, persönliche Beratung oder einfach etwas Ruhe finden können. Eine Menschentraube steht vor der Tür, drinnen ist jeder Platz besetzt.

Einige haben gerade ihre Unterkunft verloren, andere kämpfen mit Suchtproblemen oder gesundheitlichen Beschwerden.

Die Übergangsunterkuenfte in Augsburg sind oft zeitlich begrenzt und strenggeregelt. Wer keine gültigen Papiere hat oder bereits länger im System ist, fällt oft durchs Raster. Ein kurzer Polizeieinsatz störte das Beisammensein an diesem Nachmittag, doch danach entstanden offene Gespräche und wertvolle Begegnungen. Auf der Straße ist die Realität hart – aber die Menschlichkeit groß. Es wird zugehört. Geholfen. Geteilt.

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Ein Moment der Ruhe und Anerkennung

Rolie ist 36 Jahre alt und lebt seit über einem Jahr auf der Straße. Der Verlust seiner Eltern führte ihn in die Sucht, die schließlich zu einer Haftstrafe führte. Ein Versuch, selbst mit Methadon aufzuhören, brachte rechtliche Probleme mit sich – er hatte bei einer Kontrolle kein ärztliches Attest dabei. Seitdem sucht er jeden Tag aufs Neue nach Sicherheit.

Als er an diesem Nachmittag von Katrin Wimmer von der Drogenhilfe Schwaben einen Shelterbag erhält, ist er sichtlich bewegt. Sofort rollt er ihn auf dem Gehweg aus und prüft jedes Detail aufmerksam: die integrierte Matte, die Kapuze, die seinen Kopf vor Regen und Wind schützt, und die große Außentasche mit Reißverschluss.

Zum ersten Mal freue ich mich auf die Nacht.

- Rolie, Empfänger eines Shelterbags in Augsburg -

Er legt seine Jacke als Kissen in den Kopfbereich und stellt überrascht fest, dass sogar sein Rucksack hineinpasst. Alles kann sicher mit hinein – nichts muss zurückbleiben.

Bevor er geht, rollt Rolie den Shelterbag sorgfältig zusammen und trägt ihn stolz über der Schulter. Mit einer herzlichen Umarmung verabschiedet er sich.

 

Eine Stadt mit Herausforderungen und Engagement

In Augsburg leben schätzungsweise 300 bis 400 Menschen ohne Wohnung, rund dreißig von ihnen tatsächlich auf der Straße. Die Unterkünfte sind zeitlich befristet und haben oft eine maximale Aufenthaltsdauer von 90 Tagen. Danach folgt meist eine verpflichtende Pause, was Stress verursacht und jede Stabilität erschwert. In Bayern gibt es keine offiziellen Drogenkonsumräume; stattdessen werden öffentliche Toiletten, Parks und verlassene Ecken genutzt.

Dennoch ist die Solidarität groß. Eine Anwohnerin bringt Suppe, jemand anderes verteilt Brot. Freiwillige wie Emil Jarndt setzen sich für bessere Angebote ein. Er kämpft für eine Frauenunterkunft, in der auch Hunde willkommen sind. „Denn wer nur noch seinen Hund hat, lässt ihn nicht zurück“, sagt er entschlossen.

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Empfänger eines Shelterbags in Augsburg

Schutz, Vertrauen, Würde

Die fünf Shelterbags, die wir an diesem Nachmittag verteilt haben, werden nun von der Drogenhilfe Schwaben weiter getestet. Wie werden sie genutzt? Was bedeuten sie im Alltag? Die ersten Rückmeldungen sprechen Bände.

Jeder Shelterbag bietet nicht nur Schutz vor Kälte und Regen, sondern auch etwas weniger Greifbares: Vertrauen. Das Gefühl, dass jemand sieht, was man braucht.

Für Rolie bedeutete es einen sicheren Platz für die Nacht. Für uns war es erneut die Bestätigung, warum wir tun, was wir tun. Ein Shelterbag. Eine Nacht. Jede einzelne Übergabe schenkt einem Menschen ein Stück Sicherheit, Würde und Wärme.

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