Simone Schoemaker arbeitet bei Tot Heil des Volks, kurz THDV. Dort ist sie Teamleiterin Kommunikation. Das Motto dieser christlichen Organisation lautet: "Was siehst du?". Was siehst du, wenn du eine Prostituierte, einen Süchtigen oder einen Obdachlosen anschaust? Kannst du deine Vorurteile überwinden und Kontakt zu diesen verletzlichen Menschen aufnehmen? Im Viertel Jordaan haben wir 5 Sheltersuits verteilt. Ein Kamerateam des deutschen ARD war dabei!

"Ich werde heute Nacht an euch denken, während ich warm schlafe!", sagte der Obdachlose Ruud, nachdem er seinen Sheltersuit erhalten hatte. Der Amsterdamer ist seit 1984 obdachlos. Bisher hat er sich mit reichlich Alkohol vor dem Schlafengehen gewärmt. Jetzt hat er einen komfortablen Sheltersuit, der ihn und einige seiner wertvollen Sachen wirklich vor der Kälte schützt. Ein weiterer Stadtbewohner erhielt ebenfalls einen Sheltersuit. Vor der Kamera des ARD erzählten sie und die THDV-Mitarbeiter ihre Geschichten. Die restlichen 3 Anzüge behält THDV vorerst, da erwartet wird, dass im Winter noch mehr Menschen um Hilfe bitten werden.

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Strenge Blicke, zerknitterte Kleidung

Vor vier Jahren hat Simone innerhalb von THDV gewechselt. Sie wurde Teamleiterin Kommunikation. Zum ersten Mal kam sie mit anderen Zielgruppen der Organisation in Kontakt: Süchtige, Kinder in Armut und Obdachlose. Für die letztere Gruppe gibt es zwei Unterkünfte. "Im Rotlichtviertel haben wir ein kleines Wohnzimmer. Ein Ort für einen gemütlichen Plausch oder ein Spiel. Dort servieren wir auch warmes Essen." Simone erzählt, dass die Unterkunft in Jordaan größer ist. "Dort kann man duschen, und wir verteilen auch saubere Kleidung."

Die Teamleiterin gibt zu, dass sie anfangs nicht viel für Obdachlose übrig hatte. Als sie das erste Mal die Unterkunft betrat, war sie überwältigt. Ungeschminkte Gesichter mit buschigen Augenbrauen starrten sie an. Wie sollte sie ein Gespräch mit diesen in zerknitterten Klamotten gekleideten Männern beginnen? Ein Kollege riet ihr, sich einfach an den Tisch zu setzen. "Ich musste mich überwinden, aber bald kamen wir ins Gespräch." Simones Unbehagen verschwand schnell. Sie saß mit Menschen am Tisch, die nicht wirklich anders waren als sie.

Unsichtbar unter den Leuten

Wenn erst einmal Kontakt hergestellt ist, wächst das Vertrauen langsam. Die Männer zeigen mehr von sich. Eines Tages half ein Obdachloser in der Unterkunft beim Kaffeeausschenken. "Hallo, Simone", sagte er, als sie hereinkam. Simone sah ihn an, konnte ihn aber nicht erkennen. Hatte sie ihn schon einmal getroffen? Der Mann stellte sich als Piet vor, und es entwickelte sich eine Unterhaltung über Namen.

 

Die Leute laufen einfach an Obdachlosen vorbei, als ob sie nicht existieren würden. Das ist herzzerreißend.

Piet erzählte, dass die Leute auf der Straße einfach an ihm vorbeigehen würden. Sie tun so, als ob er nicht existiert, und dieser Schmerz geht tief. "Seitdem ist es mir wichtiger geworden, Namen zu merken, denn ein Name ist Teil von jemandes Identität. Die Leute wollen für das gesehen werden, was sie sind, nicht für das, was sie sind." Dieser persönliche Ansatz ist ein Grundsatz bei THDV. "Obdachlose sind keine Nummern, denen wir Essen vorsetzen. Der Kontakt steht immer im Vordergrund."

Anschluss finden ist schwer

Das niederländische "System" funktioniert laut Simone effizient. Besonders für Leute, die alles im Griff haben. Die Probleme beginnen, wenn man durchs Netz fällt. Zum Beispiel musst du registriert sein, um einen neuen Ausweis zu beantragen. Für Sozialhilfe benötigst du eine Adresse. Wenn du eine Briefadresse beantragst, melden sich Schuldenberater, die Justiz und andere Behörden.

Wer einmal aus dem System fällt, findet schwer wieder Anschluss.

Zudem sind viele amtliche Schreiben in technischem, bürokratischem Jargon verfasst. "Was ich sagen will: Das Leben vieler Obdachloser ist schon chaotisch. Diese Menschen haben die benötigten Beweise und Papiere sicher nicht fein säuberlich abgeheftet oder auf dem Computer gespeichert. Wer einmal aus dem System fällt, findet schwer wieder Anschluss."

Simone erinnert sich an eine junge Frau, die ihren Ausweis verloren hatte. Auch für sie war der ganze Papierkram und der Umgang mit Behörden zu kompliziert. Sie kam aus einer problematischen Familie, hatte Traumata und war obdachlos. Für solch eine Frau ist die Straße ein gefährlicher Ort. "Mach dir keine Sorgen um mich, es wird schon", sagte sie zu Simone. Ein paar Mal kam die junge Frau noch in die Unterkunft. Was mit ihr passiert ist, weiß niemand. "Diese Ungewissheit ist für uns schwer zu ertragen, aber man muss loslassen können. Sonst ist man für diese Arbeit nicht geeignet."

Mach es persönlich und erkennbar

Als Kommunikationsexpertin sieht Simone sich vor allem als Geschichtenerzählerin. Vor der Corona-Krise ging sie in Kirchen, Schulen und andere Einrichtungen, um über die Arbeit von THDV zu sprechen. "Mit persönlichen Geschichten kannst du die Leute berühren und sie besser für die Probleme sensibilisieren."

Wer behauptet, in den Niederlanden gibt es keine Armut, lebt in einer eigenen kleinen Welt.

Außerdem führt sie Gruppen durch die Straßen und Gassen von Amsterdam. "Auf diesem Streifzug durch verschiedene Viertel erzähle ich von den Leben der Menschen, die wir unterstützen." Ein wohlhabender Typ aus einem Kreis von Geschäftsleuten meinte während des Spaziergangs, in den Niederlanden gäbe es keine Armut.

"Den krieg ich noch", dachte Simone nach diesem Kommentar. "Vielleicht gibt es in deiner Blase keine Armut. Aber wenn so ein Geschäftsmann nach einer Tour mit einer neuen Sichtweise nach Hause geht, dann habe ich meinen Job gut gemacht. Armut und das Problem der Obdachlosigkeit sind leider Teil unseres wohlhabenden Landes."

 

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